Daten zu Trassenvarianten: Vertiefte Interpretation

Die gegenwärtig (Juli 2023) noch nicht veröffentlicht verfügbaren Daten über den Vergleich der Varianten zum Ausbau des Schienennetzes zwischen Hamburg und Hannover bedürfen einer Interpretation. Diese erfolgt hier unter dem Vorbehalt, dass detailliertere Daten der Deutschen Bahn, die geprüft werden könnten, noch nicht vorliegen. Die Daten sind aber schlüssig und halten einer ersten Überprüfung stand: Neubau schafft schneller mehr Kapazität für weniger Geld und ist ökologisch günstiger.

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Die geprüften Projekte

Der Vergleich endende Beurteilung liegen die vier Varianten zugrunde, die die Deutsche Bahn AG überprüft hat. Sie sind aus dieser Grafik ersichtlich:

Geprüfte Trassen Hamburg - Hannover
Von links nach rechts auf dieser Karte: A7-Trasse, A7-B3-Trasse, bestandsnahe Trasse, Bestandstrasse.
Quelle: DB AG.

Weitergehende Details der Trassen stehen hier zur Verfügung:

Nicht geprüft ist das (ursprüngliche) „Alpha E“

Das ursprüngliche „Alpha E“ enthält den dreigleisigen Ausbau von Lüneburg nach Uelzen. Da dieses den Kapazitätsanforderungen nicht entspricht, hat die Bundesregierung dieses zum „optimierten Alpha E“ weiterentwickelt. Für das ursprüngliche „Alpha E“ wird es daher kein Prüfauftrag und auch keine Prüfung geben. Weitere Informationen zum „Alpha E“ finden Sie hier.

Welche Variante ist für Hamburg – Hannover betrieblich optimal?

In dieser Spalte ist eingegangen, ob zwei Gleise für den Fernverkehr und zwei Gleise für den Güterverkehr unabhängig vom übrigen Verkehr genutzt werden können. Beim Bestandsausbau und beim bestandsnahen Ausbau ist zu beachten, dass im Abschnitt von Hamburg bis Lüneburg Güterzüge oder Fernverkehrszüge ein Gleispaar zusammen mit dem Regionalverkehr mit Halt auf allen Zwischenstationen nutzen müssen. Heute wird dieser Regionalverkehr auf dem dritten Gleis zwischen Hamburg und Lüneburg unabhängig vom Fern- und Güterverkehr abgewickelt. Beim Bestandsausbau kommt hinzu, dass durchgehende Züge des Fernverkehrs weiterhin die Bahnhöfe Lüneburg, Uelzen und Celle durchqueren müssen und damit die Fahrmöglichkeiten für Güterzüge und Regionalzüge erheblich einschränken. Wenn diese Fahrstraßenkonflikte vermieden werden sollen, müsste ein Gleispaar in diesen Bahnhöfen in Tieflage oder in Hochlage gebracht werden, was hinsichtlich der Kosten wie auch städtebaulich nicht verantwortbar ist. Alle diese Konflikte zwischen den Fahrstraßen werden vermieden, wenn die Fernverkehrszüge bereits ab Harburg bis vor die Tore von Hannover eigene Gleise benutzen können. Anders ausgedrückt: Für die Ausfahrt von Hamburg stehen mit einer Neubaustrecke 5 Gleise zur Verfügung, mit dem Ausbau des Bestandes nur 4 Gleise: Neubau schafft mehr Gleise für weniger Geld.

Insbesondere: Einfahrt nach Harburg

Die exakten Trassenpläne, die bereits vorliegen, zeigen, dass die Neubaustrecke nicht bis Harburg führen soll, sondern bereits westlich Glüsingen in die Strecke nach Hittfeld – Bremen kreuzungsfrei einmünden soll. Diese Strecke wird derzeit nur von den Reisezügen in Richtung Tostedt / Bremen befahren. Die Auswertung des Zielfahrplans ergibt, dass diese Einfädelung bereits fahrplantechnisch berücksichtigt ist.
Damit wird während der Bauphase der Güterverkehr zum Hamburger Hafen nicht beeinträchtigt. Züge der Relation Hamburg – Buchholz – Bremen können umgeleitet werden. Lediglich für Hittfeld und Klecken ist Schienenersatzverkehr notwendig. Diese Sperrung wird aber sehr kurz ausfallen können (Herstellung der Brücke für die Überwerfung und später Einbau der Weichen).
Der Ausbau der Bestandsstrecke auf 4 Gleise erfordert hingegen erhebliche Umbauarbeiten von Harburg bis Stelle, die Herstellung des dritten Gleises Stelle – Hausen in Mittellage und den Neubau von Gleisen von Ashausen bis Uelzen. Dafür sind umfangreiche Sperrungen und Teilsperrungen unausweichlich.

Ist der Ausbau der Bestandsstrecke Hamburg – Hannover mit dem Deutschlandtakt vereinbar?

Gemeint ist hiermit, ob die Zielfahrzeit des Deutschlandtakts, Zielfahrplan 2030+ 3. Entwurf, eingehalten wird. Bei der Beurteilung ist zu beachten, dass von der Konstruktion des Deutschlandtakts die Zielfahrzeit nicht in erster Linie unter dem Aspekt der reinen Fahrzeit von Hamburg nach Hannover oder der Anschlüsse in Hamburg genau eingehalten werden muss. Entscheidend ist vor allem die Koordination der Fahrpläne auf den extrem dicht belegten L Brücken zwischen Hamburg und dem Hamburger Hauptbahnhof sowie der entsprechenden Bahnsteigbelegung des Hamburger Hauptbahnhofs. Insoweit liegt dem Deutschlandtakt eine Überprüfung dieser Fakten zugrunde. Die Veränderung der Fahrzeit zwischen Hannover und Hamburg gegenüber dem Zielfahrplan würde die Neuberechnung der Fahrpläne für alle Züge erfordern, die von Süden in den Hamburger Hauptbahnhof fahren: ICE Richtung Bremen, Expressverkehr Richtung Stade, Bremen und Uelzen, Nahverkehr mit Halt auf allen Zwischenstationen Richtung Lüneburg und Übermaschen nach Buchholz. Das Ergebnis lässt sich nicht abschätzen und würde sich erst nach einer Neuberechnung aller dieser Fahrpläne darstellen lassen, kann aber darin bestehen, dass sich Fahrzeiten vieler Züge und 5 bis 15 Minuten verlängern. In der Folge würde es für alle diese Züge zu Verlusten von Anschlüssen in Hamburg, teils auch zu Stillständen in Harburg, führen. Der Zielfahrplan. Deutschlandtakt ist bereits so optimiert, dass Fahrzeiten nur verlängert werden können.

Beeinträchtigungen während der Bauzeit zwischen Hamburg und Hannover

Ein Bau von zwei weiteren Gleisen neben einer in Betrieb befindlichen Strecke und erst recht Umbauten in Bahnhöfen haben gravierende Einschränkungen des Betriebes zur Folge. Im Bereich von solchen Baustellen muss langsamer gefahren werden, und würde an der Gesamtstrecke gleichzeitig gebaut, so wäre die Fahrzeitverlängerung dramatisch. Daher kann ein Bestandsausbau nur Schritt für Schritt durchgeführt werden und führt gegenüber einem Neubau zur Verdreifachung der Bauzeit (30 Jahre statt zehn Jahre), wenn die Planungszeit in gleicher Länge angesetzt wird. Weiter muss der jeweilige neue Bauzustand Schritt für Schritt angeschlossen werden, wofür vollständige Einstellungen des Betriebes erforderlich sind. Bei der in dieser Form ausgebauten Strecke von Bamberg nach Nürnberg haben die Anwohner und Fahrgäste bereits Vollsperrungen von mehr als einem Jahr hinnehmen müssen, wobei zu beachten ist, dass dort kaum Güterverkehr abgewickelt wird. Diese Folgewirkungen, die auf der Strecke Hamburg Hannover insbesondere für die verladende Wirtschaft sehr gravierend sind, finden in den Baukosten selbst keinen Niederschlag, wohl aber in der volkswirtschaftlichen Bewertung des Nutzens. Weiter ist zu beachten, dass während der Bauzeit der Regionalverkehr mit allen Zwischenhalten zwischen Harburg und Lüneburg vollständig eingestellt werden müsste, und dies für mehr als ein Jahr. Die Bauarbeiten würden denen entsprechen, die derzeit zwischen Köln-Mühlheim und Langenfeld (Rheinland) laufen, um die S-Bahn von ein auf zwei Gleise zu erweitern.

Schnelle Regionalzüge Hamburg – Uelzen – Hannover nach Ende der Bauphase zwischen Hamburg und Hannover

Beim Ausbau der Bestandsstrecke und beim bestandsnahen Ausbau stehen nach Ende des Baus zwischen Harburg und Lüneburg statt heute drei Gleise nur vier Gleise zur Verfügung. Damit beschränkt sich die Kapazität in der von der Deutschen Bahn angegebenen Form für schnelle Regionalzüge von Hamburg über Uelzen nach Hannover auf das heutige Angebot. Eine Verstärkung des Nahverkehrs auf den im Deutschlandtakt vorgesehenen Halbstundentakt wäre nur auf Kosten der Trassen für den Güterverkehr möglich. Beim Bau einer Neubaustrecke steht hingegen das dritte Gleis zwischen Harburg und Lüneburg wie heute dem langsamen Regionalverkehr mit Zwischenhalt an allen Stationen ungestört zur Verfügung. Fernverkehrszüge ohne Halt benötigen in Lüneburg, Uelzen und Celle keine Fahrstraßen, die andere Züge behindern. Der Prognose, dass ein halbstündlicher schneller Regionalverkehr über Uelzen möglich ist, liegt eine konkrete Berechnung der Trassen zugrunde, die im Abschlussbericht des Deutschlandtakts veröffentlicht ist.
Daneben ermöglicht die Anbindung einer Neubaustrecke von Norden und Süden nach Soltau, von dort Regionalzüge über die Neubaustrecke nach Hamburg und Hannover, im Falle der Variante A7 / B3 auch nach Celle zu führen. Dass dafür die notwendigen Fahrplantrassen verfügbar sind und eine Einbindung in den integralen Taktknoten Soltau möglich ist, hat die Initiative Deutschlandtakt nachgewiesen (Link zum Dokument).

Baukosten und Nutzen-Kosten-Verhältnis

Die von der Deutschen Bahn mit einem Geldbetrag angegebenen Baukosten sind hier nur relativ angegeben. Die Index-Grundlage der Baukostenberechnung in einem absoluten Geldbetrag ist nicht bekannt und muss daher, insbesondere bei steigenden Baukosten, immer wieder angepasst werden, was von Politikern dazu missbraucht wird, Kostensteigerungen zu behaupten, die lediglich durch die Inflation bedingt sind.
Bei den Baukosten wird wirksam, dass die Bestandsstrecke länger ist als die Neubaustrecken. Beim Bestandsausbau werden darüber hinaus die vorgenannten Erschwernisse während der Bauzeit wirksam, bei der Variante A7 die deutlich längere Zuführung für Güterzüge in Richtung Lehrte.
Die Unterschiede in den Baukosten machen sich nur auf der Kostenseite der Nutzen-Kosten-Rechnung bemerkbar. Auf der Seite des Nutzens gehen die Beeinträchtigungen während der Bauphase und die betrieblich suboptimale Situation nach Ende des Baus ein, sodass der drastische relative Unterschied verständlich wird. Die absoluten Zahlen können hingegen derzeit mangels weitergehender Unterlagen nicht beurteilt werden.

Auswirkungen auf das Wohnen

Die entscheidenden Unterschiede in den dargestellten Kategorien sind darin begründet, dass beim Bestandsausbau und beim bestandsnahen Ausbau der Querschnitt der Trasse von drei auf vier Gleise (Abschnitt Hamburg – Lüneburg) und von 2 auf 4 Gleise (Abschnitt Lüneburg – Isernhagen / Hannover) erweitert werden muss. Dabei spielt nicht nur die Länge der erweiterten Trassen eine Rolle, sondern auch, dass insbesondere zwischen Hamburg und Lüneburg und in Lüneburg selbst die Bebauung an der Strecke stark verdichtet ist. Eine Neubaustrecke kann hingegen Wohngebiete weitgehend meiden und trifft dort, wo dieses nicht möglich ist, auf eine sehr viel geringere Baudichte.

Lebensgrundlagen

Die Daten zur Beeinträchtigung des Freiraums können ohne nähere Einsicht in die zugrunde liegenden Daten und die Definition des Freiraums nicht beurteilt werden.
Auch die Daten zur Beeinträchtigung der Landwirtschaft bedürfen der näheren Prüfung der zugrunde gelegten Definition und der Daten im Detail. Hierzu ist anzumerken, dass schon der Blick auf öffentlich verfügbares Kartenmaterial ergibt, dass entlang der Bestandsstrecke in vielen Abschnitten hochwertige Ackerwirtschaft besteht, denen der Bau nicht ausweichen kann. Weiter ist zu berücksichtigen, dass entlang der Bestandsstrecke Baustraßen benötigt werden, um neben dem laufenden Betrieb bauen zu können. Der Neubau hingegen erfordert in vielen Fällen keine Baustraßen, da die Trasse selbst als Baustraße genutzt werden kann. Daneben kann die Planung einer Neubautrasse landwirtschaftliche Flächen besonders berücksichtigen und in vielen Fällen ausweichen. Dies erklärt die vergleichsweise günstigen Daten der Neubau-Varianten.
Hinsichtlich des Schutzguts Trinkwasser ist die Trinkwassergewinnung in siedlungsnahen Gebieten intensiver als in siedlungsfernen Bereichen.
Eine Wertung der Daten zur Erholung ist erst mit Kenntnis der Basisdaten und der Definition möglich. Einer der Gründe für die schlechtere Bewertung von Neubauten dürfte sein, dass entlang der Bestandsstrecke Erholungsfunktionen nicht etabliert sind.

Naturschutz

Die insgesamt ungünstigeren Daten für den Ausbau der Bestandsstrecke sind bei näherer Betrachtung nachvollziehbar.
Allein im Landkreis Lüneburg führt die Bestandsstrecke durch drei Naturschutzgebiete, die von einem Ausbau betroffen wären. Das größte liegt südlich Lüneburg und wird auf insgesamt 2,3 km Länge durchfahren:
Lüneburger Ilmenauniederung mit Tiergarten
Weiter südlich wird das Naturschutzgebiet Dieksbeck überquert.
Im Abschnitt Winsen – Lüneburg wird das Hohes Holz mit Ketzheide und Gewässern gequert.

Die Umweltkarte Niedersachsen zeigt, in welchem Ausmaß entlang der Bestandsstrecke Naturschutzgebiete und andere wertvolle Biotope vorhanden sind, die bei einem Ausbau unmittelbar betroffen werden. Bahnlinien schaffen, wie Waldlichtungen, besser belichtete Flächen mit höherem Artenreichtum. Durch Dämme entstehen geschützte Nischen mit ähnlicher Wirkung. Solche Flächen entwickeln sich oft als “Kulturfolger” des ursprünglichen Baues. Dies erklärt zum Teil, dass der Ausbau der Bestandsstrecke durchaus problematisch ist. Weiter läuft die Bestandsstrecke insbesondere im Bereich Unterlüß / Eschede größere zusammenhängende Schutzgebiete, denen der Bau nicht ausweichen kann.
Lediglich bei den FFH-Gebieten ist der Wert der Neubautrasse A 7 / B 3 etwas schlechter, absolut sind es 200 laufende Meter durchschnittene Fläche. Ein FFH-Gebiet (Abkürzung für Fauna-Flora-Habitat-Gebiet) ist ein Schutzgebiet in Natur- und Landschaftsschutz, das dem Schutz von Lebensraumtypen des Anhangs I der Richtlinie 92/43/EWG (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) bzw. Arten des Anhangs II der FFH-Richtlinie dient. FFH-Gebiete bilden gemeinsam mit den Europäischen Vogelschutzgebieten das Netzwerk Natura 2000. Daher besteht eine gewisse Doppelbewertung mit den Gebieten “Natura 2000”, die nach Quadratmetern berechnet sind. Anders ausgedrückt: Die Neubauvariante A 7 / B 3 benötigt weniger als ein Prozent der Gesamtlänge durch FFH-Gebiete. Die Behauptung, eine Neubaustrecke würde großflächig Moore zerstören, ist ein Narrativ ohne Wahrheitsgehalt.